Rebekka Scheytt

Rebekka Scheytt

CBN besucht ukrainische Flüchtlinge in der Schweiz

von Rebekka Scheytt, Projektmanagerin CBN Humanitär

„Immer, wenn der Raketenalarm losging, mussten wir in den Schutzkeller und Katja* fiel dann einmal plötzlich die kleine Leiter runter. Gott sei Dank hat sie sich nicht wehgetan, aber wir mussten alle so lachen.“ Ich schmunzle, als die Gruppe von Jugendlichen ihre Geschichten von der Flucht aus dem ostukrainischen Berdyansk erzählt. Gleichzeitig denke ich mir, wie können die Teenager von so schlimmen Ereignissen erzählen und dabei lachen?

Ich sitze an einem Esstisch in einem kleinen Wohnhaus in der Schweiz. Vor mir steht eine Tasse Tee und ein halbes Stück Torte. Mit am Tisch sitzen unsere Übersetzerin, der Geschäftsführer von CBN Deutschland Andreas „Pitti“ Heerwagen und eine Mitarbeiterin von CBN Polen. Unser Fokus ist auf die acht Jugendlichen gerichtet, die fröhlich unsere Fragen beantworten und uns mit Kaffee und Kuchen versorgen. Wir sind hier, um die Gruppe aus dem ukrainischen Orphan’s Promise Projekt im deutschsprachigen Raum willkommen zu heißen und kennenzulernen. Außerdem wollen wir sie zusätzlich mit praktischen Gütern unterstützen, die sie für den täglichen Bedarf brauchen.

Vor dem Krieg

Diese Jugendlichen haben Schreckliches erlebt, schon bevor der Krieg ausbrach. Einige von ihnen sind Waisen, andere wurden sich selbst überlassen, weil die Eltern nicht in der Lage waren, sich um sie zu kümmern. Bis vor ein paar Wochen lebten sie in Beryansk in der Ukraine. Dort betreibt Orphan’s Promise ein sogenanntes „Trainingscenter”, ein Kinderheim und sogenannte „Transition Houses“. Trainingscenter veranstalten Nachmittagsprogramme für sozial benachteiligte Kinder und bieten Kurse, Fortbildungen und spaßige Aktivitäten für Kinder und Jugendliche an. Das Ziel ist es, Hobbys und Talente zu fördern und ein gesundes Umfeld zu bieten, in dem Kinder Gott als Vater erleben und ausgerüstet werden, eines Tages eine Ausbildung, ein Studium oder eine Arbeit zu finden und eigenständig leben zu können. Ein Teil der Trainingscenterbesucher lebt auch in dem Kinderheim, nämlich diejenigen, die sonst auf der Straße leben würden. Erreichen die Kinder ein bestimmtes Alter, ziehen sie in ein Transition House um. Dort werden die Teenager auf ihre Zeit als Erwachsene vorbereitet, bis sie bereit sind, eigenständig zu leben. 

 

Dann brach der Krieg aus

Die Jugendlichen, mit denen wir uns heute unterhalten, lebten bis vor Kurzem noch in ihrem Transition House. Als der Krieg ausbrach, flohen sie mit ihrer Betreuerin Anna und deren Tochter in den Westen der Ukraine, bevor sie dann über mehrere Umwege die Möglichkeit bekamen, in die Schweiz zu kommen. Annas Mann, der ebenfalls für Orphan’s Promise arbeitet, ist in der Ukraine geblieben, um weiter vor Ort zu helfen. Sie versuchen nun in der Schweiz ein neues Leben zu beginnen und wir sind heute hier, um sie auch von Orphan’s Promise und CBN Deutschland willkommen zu heißen. Durch die Unterstützung der Behörden begannen sie bereits mit Deutschkursen, gehen zur Schule, um ihren Abschluss zu bekommen oder beginnen ein neues Studium. Darüber hinaus versuchen sich alle zu beschäftigen. Wir erfahren, dass Ilona bei einer ukrainischen Familie im Ort babysittet, Dima im Verein Fußball spielt und Dasha so oft sie kann Kuchen, Torten und Kekse für alle backt. Die Torte, die wir in dem Moment essen, ist unglaublich gut. Man merkt, dass alle sich sehr viel Mühe geben, das Beste aus der Situation zu machen. Während wir uns unterhalten, lachen die Teenager und ziehen sich wie Geschwister auf und trotzdem werde ich den Gedanken nicht los, dass es doch nicht sein kann, dass alles so leicht ist, wie es scheint. 

Meine polnische Kollegin Ania stellt plötzlich die richtige Frage: „Was können wir für euch beten?“ Ilonas Augen werden feucht und sie beginnt leise ein paar Sätze auf Russich zu sagen. Während Irina für uns übersetzt, bleiben ihr die Worte im Hals stecken, auch sie fängt an zu weinen und plötzlich sitzen wir alle mit Tränen in den Augen am Tisch. „Bitte betet für Frieden“, übersetzt sie letztendlich, „wir wollen, dass dieser Krieg aufhört.“ 

Die Beziehung mit Gott und Gemeinschaft im Gebet geben den Jugendlichen wieder neue Hoffnung.

Stepan, einer der älteren Jungs, atmet tief durch: „Bitte versteht uns nicht falsch, wir sind sehr gerne hier. Es ist so schön hier und wir sind dankbar, dass wir in Sicherheit sein dürfen. Aber wir wollen einfach nur wieder nach Hause.“ Wir beginnen gemeinsam zu beten, jeder in seiner Sprache, aber im Herzen beten wir alle das Gleiche. Ich merke, wie die Last, die Trauer und der Schmerz bei Gott abgegeben werden und nach dem gemeinsamen Amen erscheint wieder ein kleines Lächeln auf den Gesichtern. Es tut gut, das Leid gemeinsam Gott hinzulegen, aber ich weiß auch, dass Gott einige Traumata erst später mit jedem Einzelnen aufarbeiten wird. 

Ein Stück Normalität

Es ist gerade mal 13 Uhr, also stehen wir auf und räumen gemeinsam das Geschirr auf und unterhalten uns weiterhin. Während zwei Jugendliche von Ania interviewt werden, gehen ein paar von uns raus und plötzlich entsteht ein kleines Wetteifern zwischen den Jungs. Wer kann am meisten Liegestützen machen? Auch CBN Deutschland Geschäftsführer „Pitti” tritt mit an. Stück für Stück arbeiten sich die Jungs in den Wiederholungen nach oben und wir anderen zählen mit, auf Englisch, Deutsch und Russisch. Ich bin wieder erstaunt, wie  normal die Teenager miteinander umgehen. Wir machen zusammen Fotos und albern herum. Als es langsam anfängt zu nieseln, spielen wir im Wohnzimmer ein Spiel, bei dem es nicht viele Worte benötigt. Beim „Duell der Augen“ stehen wir in einem Kreis und bei dem Befehl „hoch“ guckt man genau einer Person in die Augen. Sehen sich zwei Leute gegenseitig in die Augen, scheiden sie aus. Die Teenies fragen nach den deutschen Begriffen und wir lernen die russischen. Die Atmosphäre ist sehr entspannt und wir lachen viel miteinander.

Zum Abschluss überreichen wir noch unsere Geschenke. Jeder Teenager bekommt eine Tüte mit Kleinigkeiten überreicht und für die Gruppe gibt es noch ein paar Spiele und nützliche Haushaltsgegenstände.

Kleine Geschenke für die Jugendlichen.

Als wir am frühen Abend abreisen, merke ich, wie sehr ich diese wunderbare Gruppe vermissen werde. Ich bin dankbar, dass sie in der Schweiz einen sicheren Ort gefunden haben, aber ich bete seither jeden Tag, dass sie alle bald wieder nach Hause dürfen.

Ich möchte mich auch im Namen der Teenager und des gesamten CBN Deutschland Teams für Ihre Spenden und Ihre Unterstützung bedanken. Danke, dass Sie gemeinsam mit uns das Leben der Teenager in Frieden ermöglichen. 

Wenn Sie unsere Arbeit in diesem Bereich unterstützen wollen, danken wir Ihnen jetzt schon von Herzen.

 

So können Sie helfen

 

Die Kinder von „Republik Pilgrim“Orphan's Promise stärkt Familien